Warum gibt es überhaupt Ferienlager der Stadtschulen Luzern? Wann fanden die ersten Ferienlager statt? Was ist eine Ferienkolonie? Wie unterscheiden sich heutige Ferienlager von denen in der Vergangenheit? Lies weiter, falls dich solche Fragen interessieren.

Die unten stehenden Informationen und Texte basieren fast ausschliesslich auf folgender Quelle: „Ferienkolonien und Ferienlager der Stadtschulen Luzern 1894-1985, Eine Analyse von Dokumenten“, Lizentiatsarbeit eingereicht von Peter Binder im Juli 1986 an der Philosophischen Fakultät 1 des Pädagogischen Instituts der Universität Zürich. Die Zitierung an dieser Stelle ist vom Autor ausdrücklich genehmigt.

Die Entstehung der Ferienversorgung in der Stadt Luzern

Im Jahre 1894 führte die Stadt Luzern ihre erste Ferienkolonie für arme erholungsbedürftige Schulkinder durch. Die im 19. Jahrhundert allgemein prekären Lebensverhältnisse in grösseren Städten, sowie die vom Zürcher Pfarrer Walter Bion 1876 erstmals verwirklichte Idee der Ferienkolonien, gaben den Ausschlag zur Gründung dieser fürsorgerischen Einrichtung.

Die Ziele und Hintergründe der städtischen Ferienkolonien und Ferienlager

Die institutionelle städtische Ferienversorgung setzte sich Ende des 19. Jahrhhunderts die Gesundheit der Kinder zum obersten Ziel. Die Armut, die Wohnungsnot, die hygienischen Missstände, Krankheiten und nicht zuletzt der „Müssiggang“ eines Grossteils der städtischen Jugend während den Ferien rief nach klaren, insbesondere gesundheitsorientierten Gegenmassnahmen. Die Ferien wurden dazumals als eigentliche Kuraufenthalte gestaltet, wobei die würzige staubfreie Alpenluft, das Höhenklima, die Sonne, die Liege- und Milchkuren, das Essen, die Spaziergänge, lange Aufenthalte im Freien bei viel Bewegung etc. als wichtige Kurfaktoren galten. Das Ziel der Kolonien war es, dass skrofulöse, blutarme, an den Folgen schlechter Ernährung oder an Krankheiten der Atmungsorgane leidende Kinder durch den Kolonieaufenthalt wiederum genesen und sich erholen konnten. Doch nicht nur aus medizinischer, sondern auch aus pädagogischer Sicht gab es grosse Erwartungen an die Ferienkolonien. Regelmässigkeit, Sauberkeit, Gehorsam, peinlichste Ordnung, stramme Disziplin etc. bestimmten den Tagesablauf der früheren Ferienkolonien. Das Ziel war dabei, den Kindern einen „anständigen Lebenswandel“ beizubringen und sie durch tägliches Üben daran zu gewöhnen. Verbesserte Lebensumstände in finanzieller wie auch in gesundheitlicher Hinsicht, liessen Ende der 40er Jahre die gesundheitlichen Ziele der Luzerner Ferienversorgung etwas in den Hintergrund rücken. Dem Bedürfnis der Kinder nach einem freien Lagerleben wurde vermehrt Beachtung geschenkt. Die Wandlung vom strammen Kolonie- zu einem freieren Lagerbetrieb mit vielseitiger Unterhaltung begann sich abzuzeichnen. Freiheitliche Lagerbetriebe nach dem Muster von „Pfadilagern“ konnten sich innerhalb der Luzerner Ferienversorgung erst ab Mitte der 70er Jahre mehrheitlich durchsetzen. Abenteuerliche Erlebnisse, verpackt in ein umfassendes, unter einem Motto stehendem Lagerprogramm, bilden spätestestens seit den 80er Jahren die Konturen einiger städtischer Ferienlager. Im Vordergrund stehen nicht gesundheitliche oder erzieherische Interessen, sondern ausschliesslich die Freude und der Plausch der Kinder.

Ferienheime der Ferienlager Stadtschulen Luzern

Die Stadt Luzern konnte zeitweise auf bis zu neun verschiedene Ferienheime und anderweitige Unterkünfte zurückgreifen. Neben den unten erwähnten grössten und am längsten verwendeten Ferienheimen gab es zusätzlich Unterkünfte in Arosa, Arcegno, Ulisbach, Segnes, Rossfall, Langwies, Montana und Gottschalkenberg. In den Rekordjahren um die 1920er, 1947 und 1950er verbrachten jährlich über 1000 Kinder ihre Ferien in den Ferienkolonien.

unteres ferienheim eigental

Unteres Ferienheim Eigental (LU), 1896-1971

ferienheim oberrickenbach

Ferienheim Oberrickenbach (NW), Kurhaus Brisen, 1919-2009

ferienheim bietschhorn buerchen

Ferienheim Bürchen (VS), Hotel Bietschhorn, 1969-2010

Die Lagerleitung im Wandel der Zeit

In den Anfängen der Luzerner Ferienversorgung herrschte strenge Disziplin. Die Lagermitarbeiter bezeichnete man ihrer Aufgabe entsprechend als „Aufsichtspersonal“. Ende der 40er Jahre begann sich das Leitmotiv, „Freiheit in Ordnung“ langsam auszuprägen und setzte sich in den 60er Jahren deutlich in die Praxis um. Das Kontrollieren der Kinder konnte reduziert werden. Das Aufsichtspersonal wandelte sich zur „mitwirkenden Lehrerschaft“. Die Beziehung der Leitung zu den Kindern lockerte sich und gestaltete sich persönlicher. Die Lehrerschaft engagierte sich vermehrt für den Koloniebetrieb. In den 70er Jahren wurden die einzelnen Luzerner Lager jeweils unter ein Motto gestellt. Die Lagerleitung und ihre Mitarbeiter begannen sich gemeinsam auf den Ferienaufenthalt vorzubereiten, indem sie vorerst grössere Programmteile planten und später ganze Lagergeschichten zusammenstellten. Mit zum Teil beträchtlichem Aufwand und mit verschiedensten Aktivitäten wurde versucht, den Kindern Freude zu bereiten. Das gesteckte Ziel hiess: Spannung, Abenteuer und Plausch. Dabei stand das Miteinander der Leitung und der Kinder im Vordergrund.